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Im Jahre 1804, als im Ortsteil Rüggeberg noch keine Dorfkirche existierte, bestellte die Kirchengemeinde schon zwei Glocken. Es waren relativ kleine Glocken mit 250 und 175 Pfund Gewicht. Schwerer durften sie nicht sein, denn sie wurden in den Dachreiter des damaligen Kirchschulhauses an der jetzigen Hesterberger Straße eingebaut. Als aber das Kirchengebäude im Jahre 1827 fertiggestellt und feierlich eingeweiht war, wurden diese Glocken in den Dachreiter über der Südseite der Kirche gehoben. Die große Glocke trug die Inschrift: Drei Mahl Des Tags Ermahne Ich Zum Beten Und Melde die Leich'n 1804. Die kleine Glocke zerbarst nach knapp vierzig Jahren. Daher bestellte man bei der Gießerei Rincker in Ergänzung zu der noch intakten Glocke mit dem Schlagton e" eine neue, größere Glocke mit 500 Pfund Gewicht und dem Schlagton c". Die Inschrift auf dieser "mächtigen" Anschaffung lautete: Ich spreche nur als tönend Erz, Ihr aber habt ein fühlend Herz; Bringt nicht der Glaube Licht hinein, So werdet ihr mir ähnlich sein. 1.Cor.13 Gegossen zu Hof-Sinn von P.H. Rincker.
Im Weltkrieg I., welcher im Jahr 1914 begann, wurde für die Waffenherstellung enorm viel Material gebraucht, so dass auf Kaiserlichen Befehl hin viele Kirchenglocken konfisziert und eingeschmolzen wurden. Auch die Rüggeberger Kirchengemeinde wurde nicht verschont. Obwohl nur zwei Glocken vorhanden waren, musste sie im Jahr 1917 die kleine Glocke mit 250 Pfund Gewicht abgeben. Mit nur einer einzigen Glocke behalf man sich danach 17 Jahre lang.
Erst 1934, als die Kriegsfolgen einigermaßen überwunden und die Wirtschaft wieder im Aufschwung begriffen war, konnte man dank einer großzügigen Spende der Firma Hesterberg & Söhne an den Kauf neuer Glocken denken. Zu der noch vorhandenen Glocke von 1843 wurden wiederum bei der Firma Rincker zwei neue Glocken bestellt. Eine große mit einem Gewicht von 918 Pfund und eine kleine, welche 388 Pfund wog. Die große, neue Glocke war mit der Aufschrift versehen: In Kriegsnot für Deutschland zum Opfer gegeben, Erstand ich mit Deutschland zu neuem Leben, mein Weckruf ergehet fort und fort, Ich lade zu Gottes Hause und Wort. Auf der kleinen war zu lesen: Die Liebe zur Heimat spendete mich, Zur himmlischen Heimat rufe ich. Ich klinge über die Berge hin und mahne euch zu himmlichem Sinn. Gespendet von A. u. F. Hesterberg.
Nach nur fünf Jahren begann der zweite Weltkrieg und wieder musste man um das schöne Dreiergeläut bangen. Schon nach acht Jahren, also im Jahr 1942, wurden die zwei größten Glocken beschlagnahmt, noch im Glockenturm zertrümmert und abtransportiert. Es blieb nur die kleinste Glocke aus dem Jahr 1934, welche mit dem Schlagton d" sechs Jahre lang die Menschen in und um Rüggeberg mit ihrem in der Tat "eintönigen" Läuten zu den Gottesdiensten und Begräbnissen einlud. Der schreckliche, zweite Weltkrieg war seit drei Jahren beendet, als man über einen Neu-Anfang bezüglich des Glockengeläutes ernsthaft nachdachte. Im Jahre 1948 konnte die Kirchengemeinde Rüggeberg ihr 150-jähriges Jubiläum begehen. Das war eine passende und ehrenvolle Gelegenheit, die Kirche mit einem völlig neuen Geläute auszustatten.
Da das edle Metall Bronze damals einen beachtlich höheren Preis hatte als Stahl, beschloss man, dieses Mal Glocken aus Stahlguss bei der Firma: Bochumer Verein Gelsenkirchen zu bestellen. Die Schlagtöne: cis', e' und fis' wurden ausgewählt um einen wohltönenden und harmonischen Glockenklang zu erzeugen. Die neuen, mächtigen Glocken mit den Gewichten: 1.630 kg, 1071 kg und 777 kg. wurden mit viel Mühe in Glockenstühlen aus Stahlprofilen im Glockenturm aufgehängt. Fortan konnte man die Rüggeberger Glocken mit den Inschriften: Ehre sei Gott in der Höhe!, Christus ist unser Friede! und Land, höre des Herrn Wort! sehr weit über das Land hinaus hören, weil sie einen starken und hellen Klang hatten. Leider fehlte bei der Montage dieser Glocken der fachmännische Rat, Schwingungsdämpfer einzubauen. Die stabilen Stahlträger, die die Glocken im Turm sicher trugen, waren zwar fest und sicher im Mauerwerk verankert. Dadurch wurden aber bei jedem Läuten Vibrationen und Schwingungen auf das Gemäuer übertragen und das führte im Laufe der Jahre zu Ausbrüchen von Mörtel in den Mauerfugen und zu Rissbildungen im Turm und dem gesamten Kirchengebäude. In den Jahren 2000 bis 2002 musste daher eine umfangreiche Sanierung vorgenommen werden, um den drohenden Verfall des nunmehr 173 Jahre alten Rüggeberger Gemeindemittelpunktes abzuwenden. Eine der ersten Maßnahmen war die Demontage der drei schweren Stahlglocken aus dem Jahr 1948. Die größte dieser drei Klangkörper wurde mitsamt ihrem Klöppel mit Einverständnis der Kirche und der Stadt Ennepetal vom Heimatverein Rüggeberg im Jahr 2003 vor der Grundschule an der Rüggeberger Straße 228 auf einem Steinsockel aufgestellt und mit einem Informations-Schildchen versehen.
Die zweitgrößte steht unter einem kleinen Dach auf einem Steinsockel neben der Kirche am Sturmweg.
Natürlich ist die Rüggeberger Kirche nicht ohne Geläut geblieben. Nach erfolgter Renovierung wurde am 1.Advent des Jahres 2002 ein neues, wohlklingendes Vierergeläut aus Bronze, gegossen bei der Firma Bachert, eingeweiht. Es besteht aus der Sonntagsglocke (f'), der Ewigkeitsglocke (g'), der Gebetsglocke (as') und der Sakraments/Missions/Verkündigungsglocke (b'). (Werner Balke)
Nachtrag aus dem Gemeindebrief 07/08/09 2015 von Herrn Pfarrer André Graf:
Liebe Gemeinde, im vergangenen Jahr bekamen wir als Presbyterium die Information, dass die dritte der ehemals in der Rüggeberger Kirche eingesetzten Glocken nun dringend eine neue Bleibe benötigen und nicht länger eingelagert bleiben könne, da der Platz benötigt würde. Kurz entschlossen trafen wir als Pres- byterium deshalb den Entschluss, nach einer Gemeinde zu suchen, die un- sere Glocke noch aktiv einsetzen könnte. Wenige Wochen darauf traf bereits eine erste Anfrage einer slowakischen Gemeinde bei uns ein. Nach einigem Hin und Her stellte sich jedoch raus, dass unsere Glocke zu groß für den dortigen Glockenturm sein würde. Dennoch führte dieser erste Kontakt schließlich zum Erfolg, denn der slo- wakische Kollege vermittelte uns einen Kontakt zu einer tschechischen Ge- meinde aus dem ehemaligen Sudetengebiet in der Stadt Klášterec nad Ohri (Klösterle an der Eger), die ebenfalls eine Glocke suchte. Und das bereits seit 1942! Damals nämlich waren die alten Glocken der deutschstämmigen Gemeinde von den Nazis für die Waffenproduktion beschlagnahmt worden. Nach dem Ende des Krieges bauten die verbliebe- nen Gemeindeglieder den beschädig- ten Glockenturm zwar wieder auf, aller- dings kam es aufgrund der Vertreibun- gen nicht mehr zu einer neuen Bestü- ckung des Glockenturmes. Während der kommunistischen Herr- schaft über Tschechien war an eine sol- che ebenfalls nicht zu denken. Der Glo- ckenturmanbau verfiel über die Jahre wieder, auch wenn inzwischen eine neue Gemeinde in der Kirche Heimat gefunden hatte. Als dann schließlich die politische Wende vieles möglich machte, was vor- her undenkbar gewesen war, baute die jetzt katholische Kirchengemeinde St. Michael in Klösterle mit freundlicher Unterstützung vieler ehemalig ver- triebener evangelischer Gemeindeglieder aus Deutschland den inzwischen verfallenen Glockenturm mühsam wieder auf. Die finanziellen Mittel reich- ten jedoch all die Jahre nicht aus, den Turm mit einer neuen Glocke zu bestücken, so dass weitere 22 Jahre vergingen, bis unser Angebot den ka- tholischen Kollegen in Klösterle erreichte. Nachdem sich in der Folge herausstellte, dass die Glocke passt, wurde al- les Weitere in die Wege geleitet. Schließlich kam eine Delegation bestehend aus vier Personen Anfang Feb- ruar aus Klösterle nach Ennepetal, um die Glocke mit nach Tschechien zu nehmen. Begleitet sogar vom lokalen Fernsehen wurden die Männer fröh- lich von einigen hundert Menschen in Empfang genommen. Nach einigen Vorbereitungsarbeiten konnte die neue Glocke erstmals am Ostertag in ei- nem Festgottesdienst feierlich in Dienst genommen werden. Nach 73 Jahren erklingt nun Dank der alten Rüggeberger Glocke auch in Klösterle wieder jeden Sonntag eine Glocke, um die Gemeinde zum Got- tesdienst einzuladen. Wir freuen uns sehr, einen kleinen Teil dieser wechselhaften und spannen- den Geschichte der Gemeinde in Klösterle mitgeschrieben zu haben und wünschen den Brüdern und Schwestern dort alles Gute und Gottes reichen Segen. Auf das die Inschrift der Glocke sich bewahrheiten möge: Land, höre des Herrn Wort! Alle Interessierten sind bei Gelegenheit herzlich in Klösterle willkommen. Herzlichst, Pfarrer André Graf
Die dritte Glocke (777kg) läutet seit Ostern 2015 in der Stadt Klášterec nad Ohri (Klösterle an der Eger) und trägt die Inschrift Land, höre des Herrn Wort!
Und wem der Weg nach Tschechien zu weit ist, der kann die alte Glocke im Internet läuten hören:
oder den Ort im Internet besuchen
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